WER FICKT WEN?
Annäherung an Ralfs Farben, ein Film von Lukas Marxt und Michael Petri, 2019
Berechtigte Frage.
Protagonist Ralf Lüddemann selbst stellt sie nach einer Stunde Filmkosmos seinem Regisseur, wen fickst du? Lukas Marxt im Auto, am Steuer, als Regisseur, Punching Ball, im Fond vielleicht Michael Petri mit der Kamera, vielleicht aber auch nur die Kamera, ohne Mensch, in beiden möglichen Fällen höchst unangenehme Situation, hakt nach, bitte?, Ralf wiederholt seine Frage, wen fickst du?, daraufhin Lukas: ich fick keinen, darauf Ralf: ich sag dir das nur. Einfach nur so, gibt es in mir. Im Licht geht das. Weiß nicht. Krieg ich nicht mehr hin. Mach ich dich komplett kaputt. Jedes Lebewesen aus dir, in dir, um dich herum - ist im Arsch. Hast jetzt aufgenommen. Mark Enter.
30-minütiges Brüten über diesem Dialog führen dahin, wo der Film beim Sehen, Denken darüber, immer wieder erneut mich hinführt: Verschwurbelung der Hirngänge und Umnebelung des Urteilsvermögens. Tja, wer fickt wen, gute Frage eigentlich. Im Licht, das in das Objektiv fällt, auf den Sensor, ja da geht das, sowas einfach nur zu sagen und für Ralf sowieso. Oder dem, was in Ralf steckt. Wer. In jedem Fall die Markierung eines Bruchs, diegetisch gelesen. Offenbar wird eine fragmentierte Persönlichkeit; Schizophrenie, der Wechsel in den anderen Charakter, der andere Sprachduktus bleibt nicht unbemerkt, auch von Lukas. Schwere Irritation, im übergeordneten Sinne des Filmes wirkt die Schwere dieser Szene erleichternd, aufklärend.
Endlich, ruft mein Verstand.
Ich habe ein Problem, merke ich, immer will ich verstehen, einordnen, einbinden und wenn das unmöglich wird, dann fängt mein Verstand an, an sich selbst zu rütteln und das wird natürlich zu seinem größten Problem und Feind, Selbstverschiebung, statt Fremdverschiebung. Ralfs Farben rüttelt an meinem Verstand in diesem Sinne, vielleicht bin ich ein leichtes Opfer. Die Raserei über die Geröllpiste lockert die Schrauben, ein Wahnsinnsritt, viel zu schnell, doziert mein Verstand, aus meinem Mund ertönen zwischen anerkennenden Prusten ungläubiges Stöhnen. Ich bin froh nicht gefragt zu haben, ob das Echtzeit war. Echtzeit, lustig. Froh allerdings zu wissen, dass auch Lukas Hilfe brauchte und in Michael findet, der ihn daraufhin in die Hochebene, die Einöde der Vulkanwüste von Lanzarote begleitet. Im Versuch zu fangen, was zu fangen unmöglich ist, mit Ansage, da wird kein Hehl daraus gemacht.
Ralf sagt: Du weißt genau so wenig wie ich, glaub ich, was wir da bauen. Stimmt. Aber das Interesse ist echt, ich nehme es den Filmemachern ab, kein Geheuchel, visuell dringen sie auf das Außen, das natürlich auch Ralfs Innen sein muss. Keine Trennung mehr möglich. Der Schakal tritt auf, wandert in Ralfs Fußstapfen, oder Ralf in seinen. Raum als Innen bietet neue Sicht auf ein von Außen unverständliches Etwas, die Geisteskrankheit. Logischer Bruch überall zu finden, zu banal, diesen auszuarbeiten, aber als Realität des Betroffenen ist die Logik eben doch unantastbar. Die Filmemacher müssen zunehmends versunken sein, sie wandern mit Ralf durch seine Welt, fast jede Anweisung scheint untergraben, Bilder folgen Bildern, folgen Text folgt Text. Der Text und das Bild schaffen es in die Verschränkung, äußerlich visuell, als überdimensionierter Untertitel, der sich emanzipierte vom Deskriptiven, fraglich in der redundanten Dopplung des Deutschen mit dem Deutschen, erhebt es sich aus der Redundanz und wird Status: Literatur. Ausgehändigt vor der Kinotür als Libretto, der Filmraum als Performance, wenn doch nicht Live. Viel Zeitreisen in Planung und ich geh dann erstmal meine Ladies kennenlernen und die neuen Leben bauen und schreiben und verbessern - halten - . Ralfs Beschreibungen wandeln sich vom Kryptisch-Delokalisierten des Verstandes unter der Lupe zum Narrativ, eine Heidenarbeit, ein Aushalten und Entscheiden, Zeit zum Abdriften, und wenn die LED-Straßenlaterne anfängt zu flackern und Ralf zu Robbie Bashos Leaf in the Wind tanzt, dann wird es gar zu bunt in der poststroboskopischen Dunkelheit, wenn die Lampe am Ende wieder anspringt.
Mit eklektizistisch-verschwörungstheoretisch geschwurbeltem Anklang stellt Ralf eines klar: Tja Lukas, wir können leider nicht darüber reden, weil wir uns bemühen müssen, noch geheimzuhalten was wirklich in der Zukunft kommt. Jede weitere Frage an der Stelle ist so: Du willst was wissen, ich muss es beweisen und gehe wieder daran zugrunde - die Wettbewerber freuen sich. Diese Judas-Aktion geht schon ziemlich lange in der Menschheit, weil wir - ich auch - uns keiner wirklichen Führung zugehörig - Bestrebungen von uns sind, wir wollen keinem, keiner Obrigkeit zugehörig sein.
Ist klar. Und jetzt logisch: Die Irrationalität der Gedanken ließe sich so leicht verbauen, in die Leere, mit Doppel E, abdrängen, aber zu billig. Als Versuch zumindest, weil es einfach nicht stimmt. Da nährt sich einer und seine Realität aus diesem. Die Ehrlichkeit der Filmemacher mit ihrem Sujet ist auch nicht gebrochen in der Intellektualisierung von Content und Form. Vielleicht die einzig noch haltbare Schutzmauer, wenn man sich einlässt auf den Rant eines verrückten Eremiten.
Zu Ende: Die leere Hülle des Schakals am unfertigen Museum bei den Pyramiden von Lanzerote. Fingerzeig in den Prolog Ralfs: Der Körper, vorhanden, und unsere geistige Form, nicht präsent.
Ist aber als Lösung zu einfach, daher Halbphantasy in der Bananenplantage: Und schönes Leben sag ich, feines Leben. Realistisches Leben auch.
Auf Anfang: Wer fickt hier eigentlich wen?
WER FICKT WEN?
Annäherung an Ralfs Farben, ein Film von Lukas Marxt und Michael Petri, 2019
Berechtigte Frage.
Protagonist Ralf Lüddemann selbst stellt sie nach einer Stunde Filmkosmos seinem Regisseur, wen fickst du? Lukas Marxt im Auto, am Steuer, als Regisseur, Punching Ball, im Fond vielleicht Michael Petri mit der Kamera, vielleicht aber auch nur die Kamera, ohne Mensch, in beiden möglichen Fällen höchst unangenehme Situation, hakt nach, bitte?, Ralf wiederholt seine Frage, wen fickst du?, daraufhin Lukas: ich fick keinen, darauf Ralf: ich sag dir das nur. Einfach nur so, gibt es in mir. Im Licht geht das. Weiß nicht. Krieg ich nicht mehr hin. Mach ich dich komplett kaputt. Jedes Lebewesen aus dir, in dir, um dich herum - ist im Arsch. Hast jetzt aufgenommen. Mark Enter.
30-minütiges Brüten über diesem Dialog führen dahin, wo der Film beim Sehen, Denken darüber, immer wieder erneut mich hinführt: Verschwurbelung der Hirngänge und Umnebelung des Urteilsvermögens. Tja, wer fickt wen, gute Frage eigentlich. Im Licht, das in das Objektiv fällt, auf den Sensor, ja da geht das, sowas einfach nur zu sagen und für Ralf sowieso. Oder dem, was in Ralf steckt. Wer. In jedem Fall die Markierung eines Bruchs, diegetisch gelesen. Offenbar wird eine fragmentierte Persönlichkeit; Schizophrenie, der Wechsel in den anderen Charakter, der andere Sprachduktus bleibt nicht unbemerkt, auch von Lukas. Schwere Irritation, im übergeordneten Sinne des Filmes wirkt die Schwere dieser Szene erleichternd, aufklärend.
Endlich, ruft mein Verstand.
Ich habe ein Problem, merke ich, immer will ich verstehen, einordnen, einbinden und wenn das unmöglich wird, dann fängt mein Verstand an, an sich selbst zu rütteln und das wird natürlich zu seinem größten Problem und Feind, Selbstverschiebung, statt Fremdverschiebung. Ralfs Farben rüttelt an meinem Verstand in diesem Sinne, vielleicht bin ich ein leichtes Opfer. Die Raserei über die Geröllpiste lockert die Schrauben, ein Wahnsinnsritt, viel zu schnell, doziert mein Verstand, aus meinem Mund ertönen zwischen anerkennenden Prusten ungläubiges Stöhnen. Ich bin froh nicht gefragt zu haben, ob das Echtzeit war. Echtzeit, lustig. Froh allerdings zu wissen, dass auch Lukas Hilfe brauchte und in Michael findet, der ihn daraufhin in die Hochebene, die Einöde der Vulkanwüste von Lanzarote begleitet. Im Versuch zu fangen, was zu fangen unmöglich ist, mit Ansage, da wird kein Hehl daraus gemacht.
Ralf sagt: Du weißt genau so wenig wie ich, glaub ich, was wir da bauen. Stimmt. Aber das Interesse ist echt, ich nehme es den Filmemachern ab, kein Geheuchel, visuell dringen sie auf das Außen, das natürlich auch Ralfs Innen sein muss. Keine Trennung mehr möglich. Der Schakal tritt auf, wandert in Ralfs Fußstapfen, oder Ralf in seinen. Raum als Innen bietet neue Sicht auf ein von Außen unverständliches Etwas, die Geisteskrankheit. Logischer Bruch überall zu finden, zu banal, diesen auszuarbeiten, aber als Realität des Betroffenen ist die Logik eben doch unantastbar. Die Filmemacher müssen zunehmends versunken sein, sie wandern mit Ralf durch seine Welt, fast jede Anweisung scheint untergraben, Bilder folgen Bildern, folgen Text folgt Text. Der Text und das Bild schaffen es in die Verschränkung, äußerlich visuell, als überdimensionierter Untertitel, der sich emanzipierte vom Deskriptiven, fraglich in der redundanten Dopplung des Deutschen mit dem Deutschen, erhebt es sich aus der Redundanz und wird Status: Literatur. Ausgehändigt vor der Kinotür als Libretto, der Filmraum als Performance, wenn doch nicht Live. Viel Zeitreisen in Planung und ich geh dann erstmal meine Ladies kennenlernen und die neuen Leben bauen und schreiben und verbessern - halten - . Ralfs Beschreibungen wandeln sich vom Kryptisch-Delokalisierten des Verstandes unter der Lupe zum Narrativ, eine Heidenarbeit, ein Aushalten und Entscheiden, Zeit zum Abdriften, und wenn die LED-Straßenlaterne anfängt zu flackern und Ralf zu Robbie Bashos Leaf in the Wind tanzt, dann wird es gar zu bunt in der poststroboskopischen Dunkelheit, wenn die Lampe am Ende wieder anspringt.
Mit eklektizistisch-verschwörungstheoretisch geschwurbeltem Anklang stellt Ralf eines klar: Tja Lukas, wir können leider nicht darüber reden, weil wir uns bemühen müssen, noch geheimzuhalten was wirklich in der Zukunft kommt. Jede weitere Frage an der Stelle ist so: Du willst was wissen, ich muss es beweisen und gehe wieder daran zugrunde - die Wettbewerber freuen sich. Diese Judas-Aktion geht schon ziemlich lange in der Menschheit, weil wir - ich auch - uns keiner wirklichen Führung zugehörig - Bestrebungen von uns sind, wir wollen keinem, keiner Obrigkeit zugehörig sein.
Ist klar. Und jetzt logisch: Die Irrationalität der Gedanken ließe sich so leicht verbauen, in die Leere, mit Doppel E, abdrängen, aber zu billig. Als Versuch zumindest, weil es einfach nicht stimmt. Da nährt sich einer und seine Realität aus diesem. Die Ehrlichkeit der Filmemacher mit ihrem Sujet ist auch nicht gebrochen in der Intellektualisierung von Content und Form. Vielleicht die einzig noch haltbare Schutzmauer, wenn man sich einlässt auf den Rant eines verrückten Eremiten.
Zu Ende: Die leere Hülle des Schakals am unfertigen Museum bei den Pyramiden von Lanzerote. Fingerzeig in den Prolog Ralfs: Der Körper, vorhanden, und unsere geistige Form, nicht präsent.
Ist aber als Lösung zu einfach, daher Halbphantasy in der Bananenplantage: Und schönes Leben sag ich, feines Leben. Realistisches Leben auch.
Auf Anfang: Wer fickt hier eigentlich wen?